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Anmerkungen zum DOSB-Schreiben vom 6. März 2015 bezüglich Anwendung des Mindestlohns im organisierten Sport

Das Mindestlohngesetz hat an der Vereinsbasis zu großer Verunsicherung geführt. Insofern war es begrüßenswert, dass der DOSB und der DFB das Gespräch mit Ministerin Nahles gesucht haben, um hinsichtlich der Umsetzung des Mindestlohngesetzes für die Vereine des organisierten Sports mehr Klarheit zu schaffen.

Nach dem Gespräch mit Ministerin Nahles veröffentlichte der DOSB gemeinsam mit dem DFB am 06.03.2015 ein Schreiben zu den Ergebnissen dieses Gesprächs. Die im DOSB-Schreiben aufgezeigten Lösungen hinsichtlich der Anwendung des Mindestlohngesetzes im organisierten Sport weisen allerdings einige rechtliche Unklarheiten auf, die noch einer detaillierteren Klärung bedürfen. Im Folgenden möchten wir Ihnen diese rechtlichen Bedenken aufführen.

  1. Vertragsspieler

Die Feststellung, dass es sich bei Vertragsspielern nicht um Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts handelt, gründet auf einer Aussage von Ministerin Nahles, die keinerlei Gesetzeskraft hat. Die Aussage, dass bei einem Vertragsspieler typischerweise kein Arbeitsverhältnis begründet wird, weil die sportliche Betätigung und nicht die finanzielle Gegenleistung im Vordergrund steht, kann so nicht pauschal getroffen werden. Die pauschale Aussage im DOSB-Schreiben findet sich so auch nicht auf der Homepage des BMAS zur Frage der Anwendung des Mindestlohngesetzes auf Vertragsspieler wieder. Auf der Homepage des BMAS heißt es dazu:

 

„Für die Beurteilung, ob ein Vertragsspieler eine Arbeitnehmerin bzw. ein Arbeitnehmer ist, kommt es jeweils auf die Betrachtung aller maßgebenden Umstände des konkreten Einzelfalls an. Hierfür ist die tatsächliche Vertragsabwicklung maßgeblich. Aus der tatsächlichen Vertragsabwicklung muss sich ergeben, dass das Engagement für den Verein nicht zu Erwerbszwecken in einer für ein Arbeitsverhältnis typischen Abhängigkeit erbracht wird. Dies ist durch die Vereine "vor Ort" sicherzustellen. Um für die Sportvereine Klarheit zu schaffen, hat das BMAS verdeutlicht, dass - soweit für das Verhältnis des Sporttreibenden zum Verein die sportliche Betätigung prägend ist, Erwerbszwecke also nicht verfolgt werden - das Mindestlohngesetz somit keine Anwendung findet.“

 

 Die Aussage auf der Homepage des BMAS weist klar darauf hin, dass in der Praxis jedes Vertragsverhältnis im Einzelfall zu beurteilen ist. Ob es sich bei einem Vertragsspieler aus arbeitsrechtlicher Sicht um einen Arbeitnehmer handelt, hängt von der Vertragsgestaltung und der tatsächlichen Gestaltung des Arbeitsverhältnisses ab. Der Mustervertrag des DFB für einen Vertragsamateur erfüllt beispielsweise alle Kriterien für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses. In der Praxis dürfte die Entscheidung ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt oder die sportliche Betätigung im Vordergrund steht, schwer zu treffen sein.

 

Nicht nachvollziehbar ist die Aussage, dass Vereine keine Bußgeldverfahren zu fürchten hätten, da das BMAS seine Rechtsauffassung mit dem BMF abgeklärt hätte. Aus der Veröffentlichung auf der Homepage des BMAS geht hervor, dass es sich bei der Verneinung eines Arbeitsverhältnisses von Vertragsspielern eben nicht um eine generelle Rechtsauffassung handelt, sondern, dass es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt. Mit welcher Sicherheit können Vereine davon ausgehen, dass die „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ nicht doch prüft, wie die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall liegen?

 

  1. Übungsleiter und andere bezahlte Tätigkeiten im Verein

§ 22 Abs. 3 des Mindestlohngesetzes schließt ehrenamtlich tätige Personen von der Anwendung des Mindestlohngesetzes aus. Der Begriff des Ehrenamtes ist im Gesetz aber nicht näher spezifiziert, auch der Homepage des BMAS ist diesbezüglich keine Klarstellung zu entnehmen. Laut DOSB-Schreiben fallen Personen, die ausschließlich im Rahmen der Freibeträge nach § 3 Nr. 26 und Nr. 26 a tätig sind, nicht unter das Mindestlohngesetz. Eine diesbezügliche Aussage findet sich aber nicht auf der Seite des BMAS. Wir gehen aber trotzdem davon aus, dass diese Tätigkeiten nicht unter das Mindestlohngesetz fallen.

Problematisch wird es, wenn für den Verein tätige Personen die Freibeträge nach § 3 Nr. 26 und Nr. 26 a übersteigen. Das DOSB-Schreiben verweist darauf, dass es sich auch bei diesem Personenkreis um ehrenamtlich Tätige handeln kann. Es sei hier im Einzelfall zu prüfen, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt oder nicht. Klare Kriterien für eine Abgrenzung von Arbeitsverhältnis und ehrenamtlicher Tätigkeit weist auch das DOSB Schreiben nicht auf. In der Praxis wird es für viele Vereinsvertreter problematisch sein, hier eine rechtssichere Entscheidung zu treffen, Fehlentscheidungen können zu nicht unerheblichen Folgen für die betroffenen Vereine führen.

 

Zur Verdeutlichung ein Beispiel: Ein Verein hatte in der Vergangenheit einen Platzwart beschäftigt. Dieser Platzwart erhält eine monatliche Pauschalzahlung von 150 EUR und war in der Vergangenheit mit dem den Freibetrag nach § 3 Nr. 26 a übersteigenden Betrag als geringfügig  Beschäftigter gemeldet. Der Platzwart erhielt in der Vergangenheit keine 8,50 EUR pro Stunde. Die Zahlung von 150 EUR wurden als Pauschale gezahlt, mit der die Arbeitsleistung unabhängig vom Umfang abgegolten war. Mit der Einführung des Mindestlohngesetzes und nach den Hinweisen des DOSB entscheidet der Verein sich, den Platzwart als geringfügig Beschäftigten abzumelden, mit der Begründung, dass das ehrenamtliche Engagement und nicht die Erwerbstätigkeit im Vordergrund stehe.

 

 Damit müsste der Verein für den Platzwart auch keinen Mindestlohn von 8,50 EUR zahlen. Die Wahrscheinlichkeit, dass in so einem Fall Prüfungen der „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ mit möglichen Bußgeldforderungen erfolgen, sei dahin gestellt. Mit Sicherheit aber würde der Verein, der in der Vergangenheit geringfügig Beschäftigte hatte, einer Betriebsprüfung der Rentenversicherung unterliegen. Die Prüfkriterien der Rentenversicherung aber werden dieselben sein, wie in der Vergangenheit auch. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, würde dieser Platzwart wieder als geringfügig Beschäftigter eingestuft, der Verein wäre mit erheblichen Nachzahlungen konfrontiert. Er müsste dann auch entsprechend den Mindestlohn zahlen, was eine erhebliche Kostensteigerung für den Verein bedeuten würde. Nicht von der Hand zu weisen ist auch die Tatsache, dass die Vorstände der Vereine unter Umständen für nicht abgeführte Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge persönlich haften.

 

Es ist zu erwarten, dass viele Vereinsvertreter davon ausgehen werden, dass es sich bei bezahlten Tätigkeiten, die die Freibeträge übersteigen, um ehrenamtliche Tätigkeiten handelt, die nicht dem Mindestlohngesetz unterliegen und auch nicht im Rahmen eines Minijobs angemeldet werden müssen.

 

 

Hier ist für die Vereine ein erhebliches Gefahrenpotenzial zu sehen. Falsche Entscheidungen der Vereine können Konsequenzen in zweierlei Richtung nach sich ziehen. Von arbeitsrechtlicher Seite her könnten Finanzkontrollen Schwarzarbeit zu erheblichen Bußgeldern führen, von der sozialversicherungsrechtlichen Seite könnte es nach Betriebsprüfungen der Rentenversicherung zu erheblichen Nachzahlungen kommen. In der Praxis werden vor allem die Betriebsprüfungen der Rentenversicherung zu Problemen führen.

 

Derzeit besteht keinerlei Rechtssicherheit für die Vereine hinsichtlich der Anwendung des Mindestlohngesetzes. Im Gegenteil, die Betrachtungsweise aus Sicht des Arbeitsrechts, die in der Vergangenheit in der Praxis kaum eine Rolle spielte, die davon möglicherweise abweichende Betrachtung aus Sicht der Sozialversicherung und der unklare Begriff der Ehrenamtlichkeit, sind von ehrenamtlichen Vorstandsmitarbeitern nicht wirklich rechtssicher beurteilbar.

 

 

 

Barbara Berg

 

BUZ:

Der Mindestlohn von 8,50 Euro sorgt seit Januar 2015 bei Sportvereinen für Diskussionen. Illustration: Rhein-Zeitung/Svenja Wolf